© Martin Jordan Fotografie

Louis(a)s Blog

Bin ich nichts weiter als eine literarische Schöpfung, ein Pseudonym, eine fiktive Person, eine eingebildete Erscheinung, ein alter Ego, eine imaginäre Freund*in?

Wahrscheinlich.

Trotzdem, hier mein Blog über Sein und Schein.

Bist du verwirrt?

Louis(a) ist eine Figur aus meinem Debütroman Riesendisteln beißen nicht (fabrik.transit 2023).
Das hier ist Louis(a)s Blog.

Blog-Beiträge

Zurück in der U6

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Es geht vermutlich nicht nur mir so: die besten Texte schreiben sich in der U6. Da treffen sich die Welten. Vor kurzem war ich nur eine Station lang in der U6 bevor ich in die U4 umgestiegen bin und ich möchte euch in einem modernen Gedicht von meiner Fahrt erzählen...

In der Ubahn sitzt
ein vergrauter Mann
mit weißer Schiebermütze

ein Rinnsal Champagner
unter seinen Füßen
durch den Wagon

Bei meinem Blick
zeigt er den Finger
über die Schulter

Finster folgend
sehe ich die Gesellschaft
mit Picknickkörben

auch ganz in Weiß 
heftig zankend, sehe ich
doch keine Flaschen 

und den restlichen
Heimweg frag ich mich, 
Was ist mir entlaufen?

Louis(a), 2023 

Hiatus-Ende

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Hey, Leute! Lange nicht gesehen, lange nicht geschrieben – tut mir leid für die Funkstille, ich bin eine Weile lang untergetaucht und habe aufgehört zu existieren, hab mich frei gemacht von sozialen Konventionen und meinen Körper aufgegeben…

…jedenfalls habe ich wieder zu mir selbst zurückgefunden, und möchte euch mitteilen, dass ich aufgehört habe mein Leben nach den Vorstellungen anderer Leute zu leben.

Ich habe alle meine Newsletter-Abonnements und personalisierte Werbung, Social Media-Accounts gekündigt, die gut gemeinten Empfehlungen, ungefragten Meinungen, unaufgeforderten Ratschläge und

jetzt,


wenn ich meinen Posteingang öffne,

sehe
ich nicht mehr
„Wir haben das Leben, das du letzte Woche gekauft hast“
„Erektile Interjektion??? Ärzt*innen sind sprachlos!!!“ und kein
„Wir wollen nur dein Bestes“
„Wir vermissen dich“
„Komm zurück“ und „Nachricht wird nicht korrekt angezeigt? Klicken Sie hier!“

ich sehe
nicht mehr
„Wir kennen dich und wir kennen dein Leben und deine TOP TEN Träume“
ich sehe
„Keine Verbindung“
und sehe keine Verknüpfung zwischen mir und
SPAM
der mir sagt, DU HAST DIESEN SPAM IMMER BEKOMMEN
DAS KANN NICHT GEÄNDERT WERDEN
DU KANNST SPAM NICHT KÜNDIGEN
„Keine Verbindung“
weil ich heute jemand anderes bin
als gestern
und als vorgestern
und als das vorgestern davor
„Nachricht wird korrekt angezeigt.“
und morgen werde ich wieder
anders
sein
und sein
und mich selbst sein
und nicht deine Vorstellung von mir.

 

Louis(a), 2021 

Kreative Auszeit

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Hier gibt es nichts zu sehen.

Briefkasten-Klage

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 Briefkasten-Klage


„Wie eine Gestrandete
sitze ich neben dem erschlagenen Briefkasten.
Ich muss den Briefkasten jeden Tag erschlagen,
die Zäune aufbauen,
die Zähne pressen
und Newsletter-Abonnements abbestellen.
Immer nachts erscheint dann ein neuer Briefkasten
und einmal liege ich auf der Lauer um zu sehen,
wer ihn einsetzt.
Dabei errichte ich Zäune,
jemand wirft mir Flaschenposten an den Kopf,
winkt mit dem Zaunpfahl um sich zu beklagen,
wenn ich mit einem Baseballschläger
und einer Gehirnerschütterung
die Flaschen zurückschlage.
‚Jetzt setz dich doch mal mit deiner Umwelt auseinander!‘,
ruft der Flaschenwerfer im Papierhaus
und ich ziehe den Korken.
Die Botschaft in der Flasche bittet mich
meinen letzten Kauf bei Amazon zu rezensieren.
‚Wie Zombies gehen sie herum,
diese Jugendlichen‘,
sagt einer und erzählt mir lachend,
das Jugendwort von 2015 ist Smombie,
ein Smartphone-Zombie,
ohne dass er meine toten Augen sieht.
Heute sind wir Geister
und suchen die Kathedralen nicht erfüllter Versprechen heim.
‚Ein Bekannter namens Samuel ist verstorben
und hinterlässt Millionenerbschaft.
Mir ist aufgefallen,
Sie haben einen ähnlichen Nachnamen,
schicken Sie mir Ihre Kontodaten,
damit ich Ihnen das Geld überweisen kann.
Natürlich brauche ich einen Vorschuss
für die Lieferkosten.‘
Wo sind meine Millionen?
Der Virus auf meinem Briefkasten schickt mir Millionen Anfragen,
ob ich mein Abbo bei der Kirche wirklich kündigen will
und ich liege nachts auf der Lauer,
den Briefkasten-Aufsteller zu erschießen,
nachdem ich gefühlt tausend Briefkasten erschlagen habe.
Im Mondenschein schießt ein Briefkasten mit Vollpfosten
ganz von allein aus der nächtlichen Erde,
mein Geist geht auf Reisen
und ist später in der Post verloren gegangen.
Die Briefmarken haften nicht,
die Post auch nicht,
mein Geist wiegt zu schwer
unter all den Ketten… mails."

Louis(a), 2020